Die Dreigliederung des Sozialen
Die Dreigliederung des sozialen Organismus in Geistesleben, Rechtsleben und Wirtschaftsleben ist zweifellos eine der großen Ideen Rudolf Steiners, entwickelt ab 1917 für die damaligen Verhältnisse, aber bis heute noch nicht ganz wachgeküsst. Die Zeitschrift ‹info3› sprach mit Gerald Häfner über sein Verhältnis zu dieser Idee und über konkrete Initiativen.
Herr Häfner, wie haben Sie die Idee der Sozialen Dreigliederung kennengelernt und was hat Sie an ihr begeistert?
Ich bin ja 1956 geboren und aufgewachsen in den 60er und 70er Jahren. In der Zeit meiner Pubertät war halb Deutschland auf der Straße – auch ich habe mir die Haare wachsen lassen, trug Stirnband, vielfach geflickte Jeans und protestierte gegen den Vietnamkrieg, gegen die Regierung, gegen den Kapitalismus, war ein hochpolitischer Mensch. Ich habe mir, als ich noch Schüler war, alle politischen Gruppen von rechts bis links angeschaut, bin da einfach hingefahren, weil ich dachte, dass da bestimmt Leute sind, von denen ich was lernen kann. Aber dort bekam ich das Gefühl: Das ist alles 19. Jahrhundert, alles nicht das, was ich suche. Bis ich dann auf das Internationale Kulturzentrum Achberg (INKA) aufmerksam gemacht wurde und dorthin fuhr. Das INKA war damals eine Gedankenschmiede für gesellschaftliche Fragen auf anthroposophischem Hintergrund, an der u.a. Peter Schilinsky, Joseph Beuys und Wilfried Heidt beteiligt waren und wo die Funken nur so flogen. Wilfried Heidt lud mich gleich zum Essen ein und dann saßen wir da von mittags bis nachts, sprachen ohne Ende, und ich fühlte, ich bin geistig zu Hause angekommen. Ich hatte einen Ort gefunden, wo man in politischen Fragen ganz ähnlich dachte wie ich, nämlich nicht: Freiheit gegen Sozialismus – mit dem Slogan Freiheit oder Sozialismus wurde damals ja sogar der Bundestagswahlkampf geführt –, sondern: Wie können Freiheit, echte Demokratie und tiefe Sozialität realisiert werden? Endlich fand ich Menschen, die so dachten, schon präziser als ich, und dafür viel klarere Begriffe hatten. Also fragte ich: Was steckt dahinter? Heidt gab mir Die Kernpunkte der sozialen Frage von Rudolf Steiner. Damit begann eine lebenslange Beziehung nicht nur mit diesem Buch, sondern auch mit diesem Menschen, Rudolf Steiner, und ein lebenslanges Forschen und Arbeiten mit diesen total lebendigen Ideen und der Frage: Wie finden sie den Weg in die Wirklichkeit?
Sie haben sie damals auf Anhieb als lebendige Ideen auffassen können, und so sind sie Ihnen auch entgegengebracht worden?
Da habe ich jetzt etwas idealisiert (lacht). So spannend diese Überwindung des Gegensatzes von Kapitalismus und Sozialismus ist, habe ich mich doch zunächst über die Neigung lustig gemacht, alles in drei teilen zu wollen. Als Gegensatz entwickelte ich 5-, 7-, und 12-Gliederungen und fand die erst mal genauso evident. Je mehr ich aber den Menschen und die Gesellschaft untersuchte, desto mehr fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich glaube, die Dreigliederung versteht man sowieso völlig falsch, wenn man sie nominalistisch versteht, dann wird es eine Dreiteilung. Die Dreigliederung muss man auf einer anderen Ebene verstehen. Sie ist etwas zutiefst Lebendiges, etwas Systemisches. Es ist da nicht an eine Gliederung im Sinne einer Teilung gedacht, sondern daran, wie lebendige Prozesse aus verschiedenen Quellen hervorgehen und in verschiedenen Bereichen ihrer Eigen-Gesetzmäßigkeit nach je eigene Formen bilden können.
Dieser Text ist ein Auszug aus einem Artikel, der in der Zeitschrift ‹info3› veröffentlicht wurde. Sie können den vollständigen Artikel auf der Webseite von info3 lesen.
weiterlesenBild Gerald Häfner, Foto: Jens Heisterkamp