Erkenne dich selbst, für die anderen

Erkenne dich selbst, für die anderen

20 Februar 2023 Joan A. Melé 1153 mal gesehen

Soziale Dreigliederung ist ein Kernthema in der anthroposophischen Selbst- und Welterkenntnis. Sie kann nicht implementiert werden. Sie ist ein Werkzeug, soziale Prozesse zu verstehen. Joan Melé sprach mit Xavier Moretti darüber, wie das Soziale gelingt und wie wir daran wachsen können.


Wie hat die soziale Dreigliederung dein Leben bereichert?

Dreigliederung hat mich gelehrt, zu erkennen, dass wir alle miteinander verbunden sind und dass jede Entscheidung, die wir treffen, uns alle betrifft und sich auf die Erde auswirkt. Mit anderen Worten: Für mich ist die Dreigliederung weder eine Formel noch eine Methode, sondern eine Art, die Welt zu betrachten.

Gibt es Vorraussetzungen für eine gelingende Dreigliederung?

Theoretisch ist das Gelingen überall möglich, aber die Beteiligten müssen es vorbereiten. Manchmal fragen mich Waldorfschulen: «Können Sie uns bei der Umsetzung der sozialen Dreigliederung helfen?» Und ich sage: «Wenn ihr es so ausdrückt, kann ich es nicht.» Man kann sie nicht anwenden. Ich kann nur lehren, diese organischen Prozesse zu beobachten. Wenn Menschen in einer Gemeinschaft zusammenkommen, bilden sie einen menschlichen Organismus. Dabei ist jeder Mensch eine Zelle dieses Organismus. Daher erfordert eine gelungene soziale Dreigliederung große Arbeit an der Selbsterkenntnis. Wenn es keine permanente Arbeit der Selbsterkenntnis gibt, scheitern wir daran – es ist dann nur der Versuch, eine Formel anzuwenden, und das wird nicht funktionieren. Heute ist es notwendig, die Idee der Dreigliederung zu durchdringen, das heißt die Erkenntnis des Menschen zu gewinnen, damit sie im Sozialen fruchtet. Es braucht nur den Willen. Was nicht möglich ist und was die heutige Welt versucht, ist, dass alles schnell und einfach ist. Aber es ist weder schnell noch einfach getan. Das erfordert Ausdauer und Arbeit.

Die Erkenntnis der sozialen Dreigliederung ist nützlich: für eine Lerngruppe, für eine Schule, für ein Unternehmen oder ein Land. Wenn wir zusammenkommen, bilden wir einen Organismus. Deshalb müssen wir verstehen, was diesen Organismus krank und was ihn gesund macht. Auf diesem Erkenntnisweg gibt es drei Dimensionen: Den spirituellen Teil; du bist ein geistiges Wesen mit einer Lebensaufgabe. Aber deine Lebensaufgabe ist nicht nur dein und du musst sie in Beziehung mit anderen erfüllen. Also musst du lernen, in Beziehung zu treten. Und du hast einen Körper, der Bedürfnisse hat, die erfüllt werden müssen. Sie werden von der Erde gedeckt. Es gibt also drei Sphären: die individuell-geistige, die Beziehungssphäre und den Bereich der Erde. In jeder Organisation muss man diese drei Dimensionen respektieren. Wenn die Individualität einer Person in einer Organisation nicht respektiert wird, kommt es zu Problemen. Wenn an den Beziehungen nicht gearbeitet wird, kommt es zu Problemen. Wenn die Erde oder die leiblichen Bedürfnisse nicht respektiert werden, kommt es zu Problemen.

Dieser Text ist ein Auszug aus einem Artikel, der in der Wochenschrift ‹Das Goetheanum› veröffentlicht wurde. Sie können den vollständigen Artikel auf der Webseite der Wochenschrift lesen.

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Web Das vollständige Interview und mehr internationale Gespräche über soziale Dreigliederung finden Sie auf goetheanum.tv

Titelbild Joan A. Melé während des Gesprächs. Bildquelle: goetheanum.tv